Freitag, 2. März 2012

GNTM: Gestern in La-La-Land

Germany's Next Top Model:
Gestern in La-La-Land


And the Winner is... by littlewizard91
And the Winner is..., a photo by littlewizard91 on Flickr.

Privatfernsehen taugt nicht zum Bildungsfernsehen? Unsere Autorin Kristin ist da ganz anderer Ansicht. Sie hat gestern bei Heidi Klums Topmodels jede Menge gelernt.

 
Es war mal wieder ein aufregender Tag für ehrgeizige Nachwuchsmodels und ein erheiternder, wenn auch sehr anstrengender Abend für deutsche Fernsehzuschauer. Ja, auch vom Augenrollen und Kopfschütteln kann man Muskelkater kriegen!
Heidi Klum ließ ihre „Mädchen“ nach Thailand ausfliegen – um am Sandstrand ein paar sexy Bikini-Fotos zu knipsen und die drei Leute, die in den letzten zehn Jahren unter einem Stein gelebt haben, noch mal zaghaft daran zu erinnern, dass Frau Klum selbst durch ein ganz ähnliches sexy Shooting für „Sports Illustrated“ weltberühmt wurde. 

Ja danke, ich habe die letzten 17 Staffeln dieser Show bereits gesehen und habe diese Tatsache seit der letzten Season noch nicht ausreichend verdrängt. Zum Glück erinnert mich die Show alle gefühlten 5 Minuten an Heidis Ruhm – und für alle Zuschauer, die an einem geschädigten Kurz- oder Langzeitgedächtnis leiden, gibt es später zum Glück noch einen Beitrag bei RED zu diesem Thema. Puh ... dem Himmel sei dank! 

Darüber hinaus wird uns Clooney-Ex Elisabetta „Die Kanaille“ Cannalis erklären, wie man, auch nachdem der schöne George einen – rechtzeitig zur Preisverleihungs-Saison, wie es die Tradition verlangt – gegen ein netteres, nicht so exhibitionistisches Freundinnen-Modell ersetzt hat, noch im Rampenlicht bleibt. Ein kleiner Hinweis: Viel nackig machen hilft dabei scheinbar. 

Nun gut, zurück zum sexy Fotoshooting in Thailand.
Ach ja, an das Wort sexy gewöhnt man sich lieber gleich – man wird es in dieser Folge noch öfter hören, als einem lieb ist. Sagen wir es mal so: Hätten ich und meine liebe Freundin Mirjam, mit der ich während dem Topmodel-Gucken in ständigem SMS-Kontakt stand, ein Trinkspiel gemacht, bei dem man jedes Mal, wenn das Wort „sexy“ fällt einen ordentlichen Schluck Wein nimmt, wären wir nach ca. 30 Minuten sternhagelvoll gewesen und hätten pünktlich zum Ende der Folge wahrscheinlich mit einer Charlie-Sheen-würdigen Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen. SEXY! 

Aber nun zum Wesentlichen: Dem mehr oder minder ernst zunehmenden Bildungsauftrag des deutschen Privatfernsehens. Wie, den gibt es nicht? Weit gefehlt! 

Hier die zehn erstaunlichen Dinge, die ich gestern bei Germany’s Next Topmodel gelernt habe: 

  1. Die Unfähigkeit seinen Mund zu schließen, mag im realen Leben als körperliche Beeinträchtigung gelten, ist im Modegeschäft laut Heidi aber ein Vorteil, wenn nicht sogar eine Tugend.
  2. Das durchschnittliche Nachwuchsmodel leidet unter anamorphischen Störungen, die sich darin äußern, dass die jungen Damen leider unfähig sind, zwischen Bauchfett und hervorstehenden Hüftknochen zu unterscheiden.
  3. Ethnische Stereotypen („Mach mal 'ne thailändische Geste!“ ) sind wieder en Vogue ... und SEXY!  
  4. Gebackene Heuschrecken stehen in keiner Kalorientabelle (Nicht so sexy?)  
  5. Das perfekte „Sexyface“ erreicht man am besten durch eine Frontallappen-Lobotomie, zur Not tut’s auch der berühmte „Ich glaub mein Aneurisma ist gerade geplatzt“-Gesichtsausdruck. Also ein komplett leeres, ausdrucksloses Gesicht mit toten Augen = SEXY!  
  6. Sich eeeeeendlos und immer wieder über den fehlenden Sex-Appeal und den heißen Körper einer Minderjährigen auszulassen ist nur creepy, wenn man ein widerlicher Internet-Stalker mit pädophilen Tendezen ist, nicht aber, wenn man Fotograf, Designer, Creative-Direktor oder Heidi Klum ist.  Alles Klar. Trotzdem hatte ich mehrmals das Gefühl, als würden jeden Moment Benson und Stabler von "Law & Order: SVU" über den Strand geschlendert kommen, um den Verantwortlichen kopfschüttelnd einige ernste Fragen zu stellen.  SEXY!
  7. Sich übergeben zu müssen, bedeutet automatisch, dass man eine Mega-Zicke ist.
  8. Junge Mädchen auf regelmäßiger Basis bloßzustellen, ist nicht gemein (oder Stufe eins direkt aus dem Kapitel „Wie breche ich den Willen meiner potentiellen Jünger“ aus dem „Handbuch für Sektenführer“ ) sondern hilfreich, denn es macht „locker“ (und sexy, nehme ich an?)
  9. Auch schöne, schlanke Möchtegern-Models haben Komplexe. Nun gut, da will ich nicht widersprechen. Die armen Dinger sind alle noch sehr jung und viel bereits erwachsene Frauen hadern auch mit ihrem Aussehen, Gewicht oder Körper. Das ist vollkommen normal und auch in Ordnung. ABER das böse, ausgehungerte Teufelchen auf meiner Schulter kann sich die Bemerkung trotzdem nicht verkneifen, dass die Komplexe ja nicht sooooo schlimm sein können und das Selbstbild bzw. Selbstbewusstsein der jungen Damen ja nicht sooooo fragil, wenn man der Meinung ist, dass man attraktiv genug ist an einem WETTBEWERB teilzunehmen, der GERMANY’S NEXT TOPMODEL heißt!
  10. Egal was Du tust: Du kannst nicht gewinnen. 
Erst wird am überaus schlanken Körper einer 17-Jährigen herumgemeckert. Die soll mehr Sport treiben, denn ihr gazellenhafter Körper ist nicht „fest“ genug. 
Ich kneife die Augen zusammen und lehne mich vor, um an ihren glatten, dünnen Beinchen eine Spur von Fett oder gar – oh Graus – Orangenhaut zu erkennen. Aber da ist nichts .... ist es schon so spät? Bin ich schon so betrunken? Brauche ich eine neue Brille? Äh nein, nein und NEIN ...da ist nichts. Nur glatte Perfektion, für die ich und 90% der Frauen, die ich kenne, ohne nachzudenken einen MORD begehen würden. 
Also nur wenig essen, um sich unter 5% Körperfett zu halten, ist nicht genug! Es reicht nicht ein Fohlen zu sein, du musst ein durchtrainiertes Fohlen sein! Oder doch nicht? 
Knapp eine Stunde später serviert die Jury mit dem altbewährten Satz „Ich habe leider kein Foto für Dich“ eine super-fit aussehende Blondine ab – weil sie aussieht wie eine Sportlerin, nicht wie ein Model. Alles klar ... halt Moment mal, was? Die junge Dame hat nicht nur ein hübsches Gesicht, sondern auch einen „festen Körper“, wie der gute Thomas mehrmals betont. Aber das reicht auch nicht? Zu sportlich? Also dünn und durchtrainiert, aber nicht zu dünn und nicht zu durchtrainiert? 
Ich starre wie hypnotisiert auf ihren flachen, straffen Bauch. Ich greife nach dem Telefonbuch unter L. für Lucifer, um meine Seele für diesen Traumbody zu verkaufen. Leider lande ich in der Warteschleife. War ja klar! 
Kristin

1 Kommentar:

Chick-Kritik-Redaktion hat gesagt…

Übrigens: Die Quoten von Germany's Next Topmodel sinken kräftig. Siehe hier: http://www.dwdl.de/zahlenzentrale/35050/germanys_next_topmodel_verliert_noch_an_boden/