Montag, 5. März 2012

Kritik: Roche & Böhmermann

Roche & Böhmermann: Rückblick auf die erste Folge

Von Wunderbaum bis Wanderhure

Nun ist die erste Folge "Roche & Böhmermann" gelaufen - und es haben immerhin 50.000 Leute eingeschaltet. Ob auch ihr nächsten Sonntag dabei sein solltet (falls ihr ZDFkultur empfangen könnt), verrät euch unsere Autorin Natalie.


Sind ein tolles Team: Charlotte Roche und Jan Böhmermann;
Foto: Phillippe Fromage, ZDF
50.000 Zuschauer - damit liegt man bei ZDFkultur ziemlich genau im Senderschnitt. Ansonsten war die Auftaktsendung von "Roche und Böhmermann" alles andere als durchschnittlich.

Nicht nur das Studio kommt in einem angenehmen Retro-Look daher. Auch die Musik und besonders die kleinen Einspieler zu jedem Gast sind angenehm altmodisch. Sie verwirren den Zuschauer nicht mit vielen Bildern und bringen, den Grund, warum Gast xy eingeladen wurde, lakonisch auf den Punkt. 


So wird Sido angekündigt als "Bushido in selbstironisch". Der Gipfel der Elektronik im dunklen Studio ist ein Selbstzensur-Knopf in der Mitte des Tisches, an dem alle sitzen. Falls jemand merkt, dass er zu Ausfällen neigt wie einst Til Schweiger bei Kollege Markus Lanz. Spätestens hier wird man daran erinnert, dass die Sendung bereits vergangenen August aufgezeichnet wurde. Da war wohl der Vorfall vom Februar 2011 noch präsenter.  Welch glückliche Fügung, dass das ZDF doch noch den Mut aufbringen konnte, das Format ins Rennen zu schicken.

Zum netten Geplauder reicht man im übrigen edlen Whisky. Schließlich ist es - Retro verpflichtet - im Studio gestattet zu rauchen und zu trinken. Allerdings steht niemandem der Sinn nach Zigaretten. Auch Sido nicht, der allerdings in der Garderobe ein Paket "Wunderbaum" dabei hatte. Von dem, so erfährt man, auch Marina Weisband etwas abbekommen hat. Ungeniert fragt die (damalige) politische Geschäftsführerin der Piratenpartei: "Warum ist das hier [Whisky] weniger gefährlich als Gras?" Woraufhin sich Britt Hagedorn sogleich einmischt und erklärt: "Keine Macht den Drogen!" Nettes Geplänkel. Ich fühle mich unterhalten.

Schließlich erfährt man, dass Marina Weisband beim Liverollenspiel gerne als Trosshure geht - und findet, dass die "Wanderhure" ziemlicher Mist ist. Anstatt dessen empfiehlt sie "Game of Thrones", wenn man Fiktion mag. Sympathisch, das Mädel.


Über den Laufstegtrainer Jorge Gonzalez, den studierten Nuklear-Ökologen, der laut Einspieler Distanz "zur unsympathischen bergisch-gladbacher Laufsteg-Domina Heidi Klum hält", erfahren wir, dass er zwar gegen Atomenergie demonstriert, aber keinen Ökostrom bezieht. Sido übrigens auch nicht. Hat aber auch niemand erwartet. So dreht sich das Gespräch erstmal um Ökostrom - allerdings ohne den nötigen Ernst, wie Jan Böhmermann findet. Und so spult er die Sendung kurzerhand zurück. Ja, das tut er wirklich. Brrbrrbrr - und das Gespräch setzt ca. zwei Minuten früher wieder ein. Irre.

Sido will die Jugend
trotzdem nicht dazu aufrufen, Ökostrom zu bestellen. Das macht dann Charlotte Roche. Für Greenpeace. Marina Weisband: "Ist Scheiß-Propaganda eigentlich immer noch Scheiß-Propaganda, wenn sie für den guten Zweck ist?" Köstlich.

Doch auch sie muss einstecken. In ihrem Einspieler heißt es nämlich, Deutschland habe seine aufregendsten Erfahrungen mit Politikern gemacht, die an Kunsthochschulen nicht angenommen wurden. Sie allerdings berichtet ganz sachlich und gelassen von ihrer Arbeit in der Piratenpartei. Alles soll ganz transparent sein, sagt sie. Und natürlich kommen dabei natürlich die kleinen Skandälchen raus, die es in allen Parteien gibt. Nur eben unter der Oberfläche. Jeder Mensch sei ein Politiker und könne partizipieren, erklärt sie. Diese Botschaft ist ihr wichtiger als der Erfolg der eigenen Partei.

Dann ist schließlich noch Britt Hagedorn dran. Die Kulturwissenschaftlerin aus Bremen wird als "Frau 19% am Mittag bei Herrn und Frau 0,2% am Abend" willkommen geheißen. Soweit zu den Nettigkeiten. Im Folgenden setzt Jan Böhmermann alles daran, ihr ein Urteil über ihre Assi-Gäste zu entlocken. Doch einer Frau Hagedorn ist er nicht gewachsen, die drängt ihn rhetorisch schnell in die Enge und weist es weit von sich, irgendjemanden in ihren Sendungen vorzuführen. Böhmermann legt nach, die Stimmung droht zu kippen. Eigentlich hat er ja recht, aber Britt kann er einfach nicht festnageln. Da spult er lieber die Sendung nochmal zurück. Echt geisteskrank, findet Sido. Echt witzig, finde ich.

Am Ende sieht man die Moderatoren zu zweit über die gerade vergangene Sendung reflektieren. Ist bestimmt gestellt, oder zumindest halb. Macht nichts, ist trotzdem cool und witzig. Etwa wenn Jan Böhmermann meint, er hätte mit seiner Klassensprecher-Art Britt Hagedorn angehen wollen, sich aber ganz schnell in der Defensive befunden. Das sieht er richtig.


Dennoch: Jan Böhmermann macht eine gute Figur, neben ihm wirkt Charlotte Roche fast zahm, ein wenig farblos, auf jeden Fall netter. Trotzdem sind die beiden ein tolles Team. Hoffentlich auch in der zweiten Sendung. Ich schalte auf jeden Fall wieder ein.












Natalie








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